Projektskizze

Projektskizze – „Berühmte Berliner“
Namen wie Filippino Lippi, Giorgione oder Rogier van der Weyden klingen auf dem ganzem Globus vertraut. Sie sind Schöpfer herausstehender Meisterwerke; historisch bedeutende Kunstgenies, welche sich mit ihrem kulturellen Großvermächtnis bis in die heutige Zeit verewigten. Die Creme de la Creme, Prominenz und Eminenzen der europäischen Kunstgeschichte lassen sich reihenweise in den bundesweit zahlreichen Museen und Ausstellungseinrichtungen bestaunen. So zählen die Originalarbeiten der Reihe „berühmte Berliner“ heutzutage zu den Exponaten der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin als Teil des Preußischen Kulturbesitz. Einst durch einflussreiche Sammler, Stiftungen und Institutionen in der Hauptstadt vereinigt, mauserten sich die Meister der italienischen, niederländischen und flämischen Renaissancekunst im Laufe der Jahrhunderte in den Köpfen der
Berliner Bourgeoisie zu allseits bekannten und beliebten Figuren und Persönlichkeiten ihrer Heimatstadt.


Das allgemeine und verbreitete Dogma lautet seither: „Du sollst diese Klassiker der Kunstgeschichte bestaunen, betrachten und verstehen.“ Vor den Originalen stehend, ergibt sich für den ein oder anderen Besucher jedoch eine nicht unwesentliche Problematik: Der Mangel an Identifikation und ein teils lückenhaftes Verständnis erschweren diesem nicht selten einen reflektierten Zugang. Die museale Atmosphäre legt sich beinahe wie ein unsichtbarer Schleier, eine sanfte Druckwelle auf den Einzelnen nieder. Dem modernen Betrachter erscheint es in jenem Umfeld zuweilen mühsam, ein wahrhaftiges Eigeninteresse für die kunsthistorischen Schwergewichte der Porträtkunst zu entwickeln. Ziel meines Projektes soll es sein, das Interesse an den alten Meistern wieder großflächig entfachen. „Berühmte Berliner“ ist der Versuch einer modernen Annährung und soll dienen als Anstoß zur neuartigen Auseinandersetzung einer breiten Öffentlichkeit mit ebendiesen Größen der Renaissancemalerei, einer wissenschaftlichen wie auch virtuos-artistischen Glanzepoche. Die einzelnen Werke verstehen sich in erster Linie als Kommunikatoren zwischen Historie und Moderne.


Als visuelles und geistiges Sprachrohr formulieren sie die idealisierte Ästhetik ihrer berühmten Vorbilder zu einem zeitgemäßen, abstrakt expressionistischem Ausdruck um. Überdies liegt die Besonderheit der Konzeptidee in der gewählten Technik, bei welcher ausgewählte Originale, vorrangig ausgestellt und im Besitz der Gemäldegalerie, dem Künstler als eine Art fotografische Schablonen und in Form von Papierdrucken als Grundierung seiner Paint-Over Malerei dienen. Die zugrundeliegenden Meisterwerke scheinen dabei mehr oder weniger stark unter der ihr auferlegten (Farb-)Schichtung hindurch, resultierend in einem wahrhaftig ambivalenten Wechselspiel aus einem makellosen Fundament und einer progressiven Maskerade. Schicht für Schicht legen sich die einzelnen farblichen Akzentuierungen auf die Originale nieder, bis diese schließlich unverkennbar unter dem Schleier eines mondänen Kunstgeistes verborgen liegen.


Keineswegs angestrebt ist die bloße Gegenüberstellung von altem und neuem Kunstbegriff. So stellt „Berühmte Berliner“ vielmehr die kommunikative Verbindung zwei konträrer Kunstbegriffe dar, welche innerhalb der ihnen auf erlegten Koexistenz wechselseitig voneinander zu profitieren vermögen. Mit der Wahl einer zeitgemäßen medialen Ausstellung in Form einer eigens dafür angelegten Webseite wird Kunstinteressierten eine Reise durch virtuell begehbare Ausstellungsräume und die detaillierte, hochauflösenden Darstellung der einzelnen Werke ermöglicht. Herausgelöst aus
ihrer ursprünglich starren Umgebung, fungieren die Neuschöpfungen im digitalen Raum sogleich als Schnittstellen zwischen Moderne und Renaissance und entfliehen, weder an Ort und Zeit gebunden, den Zwängen der restaurativen Ausstellungskonzeptionen ihrer Vorreiter.


Victoria Wygrabek